Der Mittagtisch
Einmal in der Woche gibt es bei uns in der Stadt einen Mittagstisch, der von fünf türkischen Frauen geleitet wird. Vor ein paar Jahren war ich darauf aufmerksam geworden und seitdem nutze ich jede Gelegenheit, daran teilzunehmen. Anfangs ging ich alleine und inzwischen ist er zu einer Art Treffpunkt geworden, auf den ich mich jede Woche schon im Vorfeld freue.
Es ist ein Stück wie nach Hause kommen, ein Besuch bei langjährigen Freundinnen, die jeden Gast auf herzliche Art und Weise in ihrer Mitte auf- und sich seiner Bedürfnisse im Rahmen ihrer Möglichkeiten annehmen.
Und ich weiß sehr wohl, wovon ich spreche, denn meine nahezu vegane Ernährungsweise mag schon so manches Mal eine Herausforderung dargestellt haben.
Beim letzten Besuch war ich, zum ersten Mal seit langem, alleine dort. Anders als sonst, setzte ich mich an einen kleinen Tisch. Es ist Vorweihnachtszeit und in den vergangenen Tagen war viel zu tun, daher dachte ich mir, etwas Ruhe und Besinnlichkeit würde mir gut tun
.
Diesmal dauerte es länger, als üblich, bis sie meine Bestellung aufnahmen, doch das war genau richtig so. Es gab mir Zeit, ganz an zu kommen. Nach ein paar Minuten bekam ich meinen Tee und für einen Moment saß ich dort, versunken in die braune Flüssigkeit in meiner Hand und alles andere war nebensächlich. Die Welt draußen war nahezu ausgeblendet, und so genoss ich….den Tee, die Wärme des kleinen türkischen Gläschens…und einfach zu SEIN.
Es war himmlisch.
Kurz darauf erhielt ich mein Essen, das aus einer leckeren Suppe und einem Teller Gemüse mit Reis und Salat bestand, den mir meine türkische Freundin mit einem bestürzten Blick servierte . Der Kommentar folgte sogleich mit der Aussage, wie unschön es doch aussehe, das gemischte Gemüse, und ich hätte doch viel eher einen hübschen Teller mit Hähnchen in Bechamelsauce verdient.
Sie wollte mir etwas Gutes tun, das war mir klar. Was ihr entging, war, wie selig ich meinen Teller zu mir nahm, wie glücklich ich über genau dieses Essen war, über den Tatbestand, dass sie es für mich kochten, dass es einfach wunderbar schmeckte und ich diesen Moment dort, bei ihnen, genießen durfte. Ich war schlichtweg dankbar und vor lauter Glück kamen mir die Tränen.
Vielleicht wirkt es, wie eine Kleinigkeit, doch in eben diesem Moment war es für mich die Welt.
Die scheinbar kleinen Dinge…wie groß und wundervoll sie manchmal sein können.
Ich dachte mir, wie schön es war, einen solchen Ort zu kennen, wohin man einfach kommen konnte, wie wertvoll es doch für Menschen auch sein mag, kleine Oasen der Ruhe, Stille und Nächstenliebe zu finden, auch dann, wenn wir noch so in uns selbst zu Hause sind oder ein schönes Heim unser eigen nennen dürfen.
Einmal mehr wurde mir bewusst, wie wichtig es gerade in Zeiten großer Dichte ist, sich selbst eine Auszeit zu gönnen und sich etwas Gutes zu tun.
Ein Dankeschön all den Menschen, die uns in solchen Situationen Engel sind, wie eben diese fünf türkischen Frauen und all den Orten, in denen wir immer wieder Raum für solch kleine Sternstunden der Glückseligkeit finden dürfen